Wenn ein Mensch im Alltag auf Hilfe angewiesen ist, stellt dies Angehörige vor große organisatorische und emotionale Aufgaben. Um die häusliche Versorgung zu stärken und das Engagement von Familie, Freunden oder Bekannten finanziell zu würdigen, gibt es das Pflegegeld. Doch der Weg zu dieser wichtigen Leistung der Pflegeversicherung ist für viele mit Unsicherheiten und Fragen verbunden. Das Antragsverfahren wirkt auf den ersten Blick komplex und formell.

Dieser Artikel führt Sie sicher durch den gesamten Prozess – von der ersten Überlegung über das korrekte Ausfüllen der Formulare bis hin zum erfolgreichen Bescheid Ihrer Pflegekasse.

Was genau ist Pflegegeld und wer hat Anspruch?

Sie haben einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung, wenn Sie die Pflege eines Angehörigen zu Hause sicherstellen. Das Pflegegeld ist eine der zentralen Pflegeleistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, verankert im Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Es ist speziell für pflegebedürftige Menschen gedacht, deren Versorgung im eigenen Zuhause durch nicht-professionelle Kräfte wie Angehörige, Freunde, Nachbarn oder andere ehrenamtliche Helfer erfolgt.

Die grundlegende Voraussetzung für den Erhalt von Pflegegeld ist die Einstufung in einen anerkannten Pflegegrad. Ein Anspruch besteht ab Pflegegrad 2. Menschen mit Pflegegrad 1 erhalten kein Pflegegeld, können aber andere Leistungen wie den Entlastungsbetrag nutzen. Die pflegebedürftige Person erhält den Geldbetrag monatlich direkt von ihrer Pflegekasse und kann frei darüber verfügen. In der Regel wird es als finanzielle Anerkennung an die private Pflegeperson weitergegeben, die den größten Teil der Versorgung übernimmt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Pflege zu Hause langfristig möglich ist und die enorme Leistung der pflegenden Angehörigen eine Würdigung erfährt.

Der erste Schritt: Den Antrag auf Pflegegrad formlos stellen

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass man sofort ein komplexes Formular für den Antrag auf Pflegegeld benötigt. Der Prozess beginnt jedoch viel einfacher. Der eigentliche erste Schritt ist der Antrag auf Feststellung einer Pflegebedürftigkeit (auch Erstantrag genannt) bei der zuständigen Pflegekasse. Diese ist direkt an die Krankenkasse der versicherten Person gekoppelt.

Dieser Antrag ist bewusst hürdenarm gestaltet und kann formlos erfolgen. Das bedeutet, Sie müssen kein spezifisches Formular herunterladen oder ausfüllen. Ein Anruf bei der Pflegekasse, eine formlose E-Mail oder ein einfaches Schreiben per Post reichen aus, um das Antragsverfahren in Gang zu setzen.

Inhalt des formlosen Schreibens oder der E-Mail:

  • Name und Anschrift der pflegebedürftigen Person
  • Versicherungsnummer und Geburtsdatum der Person
  • Die klare Aussage, dass Sie Leistungen der Pflegeversicherung beantragen oder die Feststellung eines Pflegegrades wünschen.
  • Ihre Kontaktdaten für Rückfragen.

Es ist ratsam, den Antrag schriftlich per Post (als Einschreiben) oder E-Mail zu stellen, damit Sie einen Nachweis über das Datum der Antragstellung haben. Dieses Datum ist wichtig, denn die Leistungen werden rückwirkend ab dem Monat der Antragstellung gezahlt, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Sobald die Pflegekasse Ihren formlosen Antrag erhalten hat, sendet sie Ihnen die offiziellen Antragsformulare zu.

Das Antragsformular korrekt ausfüllen: Darauf müssen Sie achten

Nachdem Sie den Prozess angestoßen haben, erhalten Sie von der Pflegekasse die offiziellen Formulare. Nehmen Sie sich Zeit, diese sorgfältig auszufüllen. Die Fragen zielen darauf ab, einen ersten Eindruck vom individuellen Pflegebedarf zu bekommen. Beschreiben Sie die Situation des Pflegebedürftigen so genau wie möglich. Seien Sie dabei ehrlich und realistisch – beschönigen Sie nichts, aber übertreiben Sie auch nicht.

Falls Sie sich beim Ausfüllen unsicher fühlen, zögern Sie nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Pflegestützpunkt in Ihrer Nähe oder ein unabhängiger Pflegeberater kann Sie bei der Antragstellung unterstützen und wertvolle Hinweise geben. Auch soziale Dienste oder die Pflegeberatung der Krankenkasse selbst bieten Unterstützung an.

Eine der wichtigsten Entscheidungen im Antragsformular ist die Wahl der Leistungsart. Hier müssen Sie angeben, ob Sie reines Pflegegeld, die Pflegesachleistung oder eine Kombination aus beidem wünschen.

MerkmalPflegegeldPflegesachleistung
AuszahlungMonatlicher Geldbetrag direkt an die pflegebedürftige Person.Direkte Abrechnung des Pflegedienstes mit der Pflegekasse.
VerwendungZur freien Verfügung, meist als Anerkennung für pflegende Angehörige oder zur eigenständigen Organisation von Pflegehilfen.Bezahlung professioneller Pflegeleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst (z.B. Hilfe bei Körperpflege, Ernährung).
HöheDie Höhe ist je nach Pflegegrad gestaffelt und niedriger als der Wert der Pflegesachleistung.Der Betrag ist je nach Pflegegrad höher angesetzt, da professionelle Dienste teurer sind.
FlexibilitätSehr hoch. Sie organisieren die Pflege selbst.Geringer. Gebunden an den Leistungskatalog des beauftragten Dienstes.

Viele Familien entscheiden sich für die Kombinationsleistung. Dabei wird der nicht genutzte Teil der Pflegesachleistung anteilig als Pflegegeld ausgezahlt. Dieses Modell ist ideal, wenn beispielsweise ein ambulanter Pflegedienst morgens bei der Grundpflege hilft und die restliche Versorgung am Tag und Abend durch Angehörige abgedeckt wird.

Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst: Das Herzstück des Verfahrens

Nachdem der ausgefüllte Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, wird der entscheidende Schritt eingeleitet: die Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Die Pflegekasse beauftragt dafür den Medizinischen Dienst (MD), wenn die Person gesetzlich versichert ist, oder den Dienst MEDICPROOF bei privat Versicherten. Ein Gutachter wird einen Begutachtungstermin bei der antragstellenden Person zu Hause vereinbaren. Dieser Hausbesuch ist das Kernstück des gesamten Begutachtungsverfahrens.

Ziel des Gutachters ist es, die Selbstständigkeit der Person in verschiedenen Lebensbereichen zu bewerten. Anhand eines standardisierten Katalogs mit sechs Modulen wird der Grad der Pflegebedürftigkeit ermittelt:

  1. Mobilität: Wie selbstständig kann sich die Person fortbewegen und ihre Körperhaltung ändern?
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Wie gut sind Orientierung, Gedächtnis und die Fähigkeit, sich mitzuteilen?
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Gibt es motorische Auffälligkeiten, nächtliche Unruhe oder aggressives Verhalten?
  4. Selbstversorgung: Wie viel Hilfe wird bei der täglichen Körperpflege, beim An- und Auskleiden und bei der Ernährung benötigt?
  5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen: Wie geht die Person mit Medikamenten, Arztbesuchen oder Therapien um?
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Kann die Person ihren Tagesablauf noch selbstständig planen und Kontakte pflegen?

Für jedes Modul werden Punkte vergeben, die am Ende zu einem Gesamtwert zusammengefasst werden. Dieser Wert entscheidet über die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade.

Optimale Vorbereitung auf den Begutachtungstermin: Sechs entscheidende Hinweise

Der Begutachtungstermin ist oft eine aufregende und ungewohnte Situation. Eine gute Vorbereitung hilft, die tatsächliche Pflegesituation realistisch darzustellen und nichts Wichtiges zu vergessen.

  1. Führen Sie ein Pflegetagebuch: Dokumentieren Sie über ein bis zwei Wochen vor dem Termin detailliert, bei welchen Tätigkeiten die pflegebedürftige Person Hilfe benötigt und wie viel Zeit dies in Anspruch nimmt. Notieren Sie auch nächtliche Einsätze oder unvorhergesehene Ereignisse.
  2. Sorgen Sie für die Anwesenheit der Haupt-Pflegeperson: Die Person, die tagtäglich die Pflege leistet (oft Angehörige), sollte beim Termin unbedingt anwesend sein. Sie kann die Situation aus der Praxis schildern und Fragen des Gutachters präzise beantworten.
  3. Legen Sie ärztliche Unterlagen bereit: Halten Sie alle relevanten medizinischen Berichte, eine Liste der Medikamente, Krankenhaus-Entlassungsberichte und eventuell vorhandene Schwerbehindertenausweise bereit.
  4. Schildern Sie einen typischen Tag: Seien Sie ehrlich und beschreiben Sie den Alltag so, wie er ist. Viele Pflegebedürftige neigen dazu, sich beim Besuch “zusammenzureißen” und ihre Fähigkeiten besser darzustellen, als sie sind. Vermitteln Sie ein authentisches Bild der Pflegebedürftigkeit.
  5. Notieren Sie eigene Fragen: Schreiben Sie sich im Vorfeld alle Fragen auf, die Sie an den Gutachter haben. Das können Fragen zur Versorgung, zu Pflegehilfen oder zum weiteren Verfahren sein.
  6. Zeigen Sie vorhandene Pflegehilfen: Nutzen Sie bereits Hilfsmittel wie einen Rollator, einen Badewannenlifter oder Inkontinenzmaterial? Zeigen Sie diese dem Gutachter, denn auch das gibt Auskunft über den Pflegebedarf.

Der Bescheid ist da: Von der Genehmigung bis zum Widerspruch

Nach der Begutachtung erstellt der Gutachter sein Gutachten und leitet es an die Pflegekasse weiter. Auf dieser Grundlage entscheidet der Kostenträger über den Antrag. Sie erhalten das Ergebnis per Post in Form eines schriftlichen Bescheids.

  • Genehmigung: Wird ein Pflegegrad 2 oder höher festgestellt, ist der Antrag auf Pflegegeld genehmigt. Der Bescheid informiert Sie über die Höhe des Pflegegeldes und ab wann die Zahlung erfolgt. Wie erwähnt, beginnt der Anspruch mit dem Monat der Antragstellung.
  • Ablehnung oder zu niedriger Pflegegrad: Es kann vorkommen, dass der Antrag komplett abgelehnt wird (kein Pflegegrad oder nur Pflegegrad 1) oder ein niedrigerer Pflegegrad als erwartet zugesprochen wird. Wenn Sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, haben Sie das Recht, innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids schriftlich Widerspruch einzulegen. Begründen Sie Ihren Widerspruch gut, idealerweise unter Hinzuziehung des Gutachtens, das Sie anfordern können.
  • Änderung des Zustands: Verschlechtert sich der Gesundheitszustand der pflegebedürftigen Person im Laufe der Zeit, können Sie jederzeit einen Höherstufungsantrag stellen. Das Verfahren läuft dann ähnlich ab wie beim Erstantrag, inklusive einer erneuten Begutachtung.

FAQ – Häufige Fragen rund um den Antrag auf Pflegegeld

Im Folgenden werden nun noch die häufigsten Fragen zum Thema Pflegegeld beantwortet.

Wie hoch ist das Pflegegeld im Jahr 2025?

Die Höhe des Pflegegeldes ist nach dem Pflegegrad gestaffelt. Für das Jahr 2025 gelten voraussichtlich die folgenden monatlichen Sätze (eine Anpassung fand zuletzt zum 1. Januar 2024 statt):

  • Pflegegrad 2: 332 €
  • Pflegegrad 3: 573 €
  • Pflegegrad 4: 765 €
  • Pflegegrad 5: 947 €

Kann ich Pflegegeld auch erhalten, wenn ich in einem Pflegeheim lebe?

Nein. Das Pflegegeld ist ausschließlich für die Pflege zu Hause oder in einer ähnlichen häuslichen Umgebung (z.B. betreutes Wohnen) vorgesehen. Für Menschen, die in vollstationären Pflegeeinrichtungen wie einem Pflegeheim leben, übernimmt die Pflegekasse einen Teil der pflegebedingten Kosten direkt.

Wer hilft mir bei der Beantragung und berät mich?

Sie sind mit diesem Prozess nicht allein. Kostenlose und neutrale Informationen sowie Unterstützung bieten:

  • Die Pflegeberater Ihrer Krankenkasse bzw. Pflegekasse.
  • Lokale Pflegestützpunkte (eine zentrale Anlaufstelle in vielen Kommunen).
  • Sozialdienste von Wohlfahrtsverbänden (z.B. Caritas, Diakonie).
  • Unabhängige Pflegeberatungsstellen.

Was ist der Unterschied zwischen der Begutachtung durch den MD und MEDICPROOF?

Beide Institutionen führen die Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach denselben gesetzlichen Richtlinien durch. Der einzige Unterschied ist die Zuständigkeit: Der Medizinische Dienst (MD) ist für gesetzlich Versicherte zuständig, während MEDICPROOF die Begutachtung für privat Versicherte übernimmt. Das Verfahren und die Kriterien sind identisch.

Lesen Sie auch: Sozialversicherungsausweis beantragen: Wie und wo Sie das Dokument beantragen können.

FREIBERUFLER

Lena Schmidt

Lena Schmidt, eine freiberufliche Schriftstellerin aus Berlin, ist für ihre sorgfältig recherchierten Blogbeiträge über deutsche Antragsverfahren bekannt. Mit ihrer detailreichen und klaren Schreibweise hat sie Tausenden von Lesern geholfen, sich durch die Komplexität von bürokratischen Prozessen zu navigieren. Ihre Arbeit spiegelt ihre Leidenschaft für Transparenz und Benutzerfreundlichkeit in der öffentlichen Verwaltung wider.

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