Der Weg durch die Bürokratie kann oft entmutigend wirken, besonders wenn es um so persönliche und wichtige Anliegen wie die Anerkennung einer Schwerbehinderung geht. Doch der Schwerbehindertenausweis ist mehr als nur ein Dokument; er ist ein entscheidender Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und zum Ausgleich von Nachteilen. In Niedersachsen ist der Prozess klar geregelt, und mit den Informationen auf dieser Seite können Sie Ihren Anspruch erfolgreich geltend machen. Dieser Artikel führt Sie Schritt für Schritt durch den gesamten Vorgang – von der ersten Überlegung über die korrekte Antragstellung bis hin zu den konkreten Vorteilen, die Ihnen zustehen. Er soll Ihnen als Kompass dienen, um sicher durch das Verwaltungsverfahren zu navigieren.
Grundlagen: Was bedeuten Schwerbehinderung und der GdB?
Bevor man den Antrag stellt, ist es wichtig, die zentralen Begriffe zu verstehen. Das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – das Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – bildet die juristische Grundlage. Es definiert, wann eine Behinderung vorliegt. Entscheidend ist dabei die Abgrenzung zur reinen Krankheit: Eine Krankheit ist ein vorübergehender, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Eine Behinderung liegt laut Gesetz dann vor, wenn körperliche Funktionsbeeinträchtigungen, seelische Störungen oder geistige Einschränkungen eine Person mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.
Im Kern geht es also nicht um die medizinische Diagnose an sich, sondern um deren langfristige Auswirkungen. Das zentrale Maß für diese Beeinträchtigung ist der Grad der Behinderung, kurz GdB.
- Was ist der Grad der Behinderung (GdB)? Der Grad der Behinderung GdB wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 angegeben. Er ist bewusst keine Prozentangabe, sondern ein eigenständiges Maß. Er bewertet die Gesamtauswirkung aller gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf das tägliche Leben – im Beruf, in der Freizeit, im sozialen Miteinander.
- Ab wann liegt eine Schwerbehinderung vor? Von einer Schwerbehinderung spricht man, wenn die zuständige Behörde einen GdB von mindestens 50 feststellt. Personen mit einem GdB von 50 oder mehr haben Anspruch auf einen grünen Schwerbehindertenausweis.
- Gleichstellung – eine wichtige Option: Menschen mit einem GdB von 30 oder 40 können unter bestimmten Voraussetzungen bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen stellen. Dies ist dann möglich, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können. Die Gleichstellung bezieht sich ausschließlich auf arbeitsrechtliche Aspekte wie den besonderen Kündigungsschutz oder Hilfen am Arbeitsplatz; sie gewährt keinen Anspruch auf Zusatzurlaub oder eine frühere Rente.
Die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft ist somit der erste offizielle Schritt, um die Ihnen zustehenden Nachteilsausgleichen in Anspruch zu nehmen und Barrieren abzubauen.
Die zuständige Behörde: Wer bearbeitet Ihren Antrag in Niedersachsen?
In Deutschland liegt die Zuständigkeit für die Anerkennung einer Schwerbehinderung bei den Bundesländern. Deshalb unterscheiden sich die zuständigen Stellen je nach Wohnort. Für Bürgerinnen und Bürger mit Wohnsitz in Niedersachsen ist das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie zentral für die Bearbeitung des Antrags auf Schwerbehinderung verantwortlich.
Diese Behörde, oft einfach als Landesamt bezeichnet, ist Ihr Ansprechpartner für den gesamten Prozess. Die Bündelung der Aufgabe bei einer Landesbehörde soll eine einheitliche und vergleichbare Entscheidungspraxis in ganz Niedersachsen sicherstellen. Das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie kümmert sich um die Prüfung der Unterlagen, die medizinische Begutachtung und die Ausstellung des finalen Bescheids. Während die zentrale Postanschrift für die Einreichung des Antrags maßgeblich ist, unterhält das Amt mehrere Standorte, unter anderem in Hildesheim, Hannover, Braunschweig, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück.
Auf der offiziellen Webseite des Amtes, erkennbar am Niedersachsen klar logo, finden Sie alle notwendigen Informationen, Kontaktformulare und den Link zu den Antragsdokumenten. Es ist die verlässlichste Quelle, um sicherzugehen, dass Sie die aktuellsten Dokumente verwenden und die korrekte Adresse für Ihren Antrag finden.
Der Antrag Schritt für Schritt: Von den Formularen bis zum Eingang
Eine sorgfältige Vorbereitung des Antrags ist das A und O, um Rückfragen und Verzögerungen zu vermeiden. Der Prozess der Antragstellung lässt sich in vier wesentliche Schritte unterteilen.
1. Beschaffung der Antragsformulare
Die notwendigen Antragsformulare erhalten Sie auf mehreren Wegen. Der direkteste Weg ist der Download von der Internetseite des Landesamt für Soziales. Alternativ liegen die Formulare oft bei den kommunalen Verwaltungen (Stadt- oder Gemeindeverwaltungen), bei Sozialverbänden wie dem SoVD oder dem VdK sowie bei Behindertenberatungsstellen aus. Der digitale Weg ist meist der schnellste, um an die aktuellste Version zu gelangen.
2. Sorgfältiges Ausfüllen: Die Kunst der Selbstauskunft
Nehmen Sie sich Zeit, den Antrag vollständig und leserlich auszufüllen. Neben Ihren persönlichen Daten (Name, Adresse, Geburtsdatum, Telefon, E-Mail) sind vor allem die Angaben zu Ihren gesundheitlichen Problemen entscheidend. Hier geht es nicht nur darum, Diagnosen aufzulisten. Vielmehr müssen Sie dem Gutachter, der nur Ihre Akte sieht, ein klares Bild Ihrer alltäglichen Einschränkungen vermitteln.
- Konkret werden: Statt nur „chronische Rückenschmerzen“ zu schreiben, beschreiben Sie die Auswirkungen: „Aufgrund der Schmerzen im Lendenwirbelbereich kann ich nicht länger als 20 Minuten am Stück sitzen. Längere Autofahrten sind nur mit mehreren Pausen möglich. Das Heben von Gegenständen über 5 kg ist mir nicht möglich, was das Einkaufen oder die Hausarbeit erheblich erschwert.“
- Alle Beeinträchtigungen nennen: Listen Sie alle Ihre Funktionsbeeinträchtigungen auf, auch die, die Ihnen weniger gravierend erscheinen. Beeinträchtigungen wie Tinnitus, eine Hörminderung oder Allergien können sich in der Gesamtbewertung positiv auf den Grad der Behinderung (GdB) auswirken und diesen erhöhen.
- Ärzte und Behandlungen: Geben Sie alle behandelnden Ärzte, Krankenhäuser und Therapeuten (z.B. auch Physio- oder Ergotherapeuten) der letzten Jahre an, inklusive Kontaktdaten. Es ist sehr wichtig, diese von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, damit das Landesamt dort Befundberichte anfordern kann.
- Bisherige Bescheide: Falls bereits Bescheide von anderen Leistungsträgern vorliegen (z. B. ein Rentenbescheid der Rentenversicherung, ein Bescheid der Berufsgenossenschaft oder der Pflegekasse), sollten Sie diese erwähnen und in Kopie beifügen.
3. Zusammentragen aussagekräftiger medizinischer Unterlagen
Obwohl das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie selbst Befunde anfordert, beschleunigt es den Prozess erheblich, wenn Sie bereits vorhandene, aussagekräftige medizinische Unterlagen in Kopie beifügen. Wichtig ist hier die Aktualität. Ein fünf Jahre alter Arztbrief hat weniger Gewicht als ein Befundbericht aus den letzten sechs Monaten. Sinnvoll sind zum Beispiel:
- Aktuelle Facharztberichte, die detailliert auf die Funktionseinschränkungen eingehen
- Entlassungsberichte aus dem Krankenhaus oder einer Reha-Klinik
- Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK)
- Psychologische Testberichte oder therapeutische Verlaufsberichte
- Laborergebnisse oder radiologische Befunde, falls sie die Schwere der Erkrankung belegen
Je detaillierter diese Unterlagen Ihre Beeinträchtigung beschreiben, desto besser kann der ärztliche Dienst des Landesamtes die Situation einschätzen.
4. Einreichung des Antrags
Senden Sie den vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Antrag zusammen mit allen kopierten Unterlagen an die zentrale Adresse des Landesamtes. Es empfiehlt sich, den Versand per Einschreiben vorzunehmen, um einen Nachweis über den Eingang zu haben. Zunehmend wird auch die digitale Einreichung über ein Online-Portal angeboten. Prüfen Sie diese Option auf der Webseite des Landesamtes. Nach dem Eingang erhalten Sie in der Regel eine Eingangsbestätigung von der Behörde, oft mit einem Aktenzeichen für zukünftige Rückfragen.
Der Grad der Behinderung (GdB) im Detail verstehen
Nachdem der Antrag eingegangen ist, beginnt die eigentliche Prüfung. Der ärztliche Dienst des Landesamtes wertet Ihre eingereichten Unterlagen und die angeforderten Befundberichte aus. Auf dieser Grundlage wird der Grad der Behinderung (GdB) für jede einzelne Funktionsbeeinträchtigung ermittelt. Dabei orientieren sich die Gutachter an den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“. Diese Richtlinien enthalten eine Art Tabelle, die für verschiedene Gesundheitsstörungen einen Rahmen für den GdB vorgibt.
Ein entscheidender Punkt ist die Bildung des Gesamt-GdB. Die einzelnen GdB-Werte werden nicht einfach addiert. Dies ist ein häufiges Missverständnis. Stattdessen wird die schwerste Beeinträchtigung als führend angesehen. Dann wird geprüft, inwieweit andere Funktionsbeeinträchtigungen das Gesamtbild verschlimmern.
Stellen Sie sich folgendes Beispiel vor: Eine Person leidet an einer schweren Hüftarthrose (Einzel-GdB 40) und zusätzlich an einer chronischen Atemwegserkrankung (Einzel-GdB 30). Der Gesamt-GdB wird nicht 70 sein. Die Gutachter prüfen, wie die Atemnot die bereits durch die Arthrose eingeschränkte Gehfähigkeit zusätzlich beeinträchtigt. Überschneiden sich die Auswirkungen nicht wesentlich, könnte der GdB bei 50 liegen. Beeinflussen sie sich gegenseitig stark, indem die Atemnot schon bei geringster Geh-Anstrengung auftritt, könnte er auf 60 angehoben werden.
Ein weiterer Aspekt ist die „Heilungsbewährung“, vor allem bei Krebserkrankungen. Nach einer erfolgreichen Therapie wird oft für einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren ein hoher GdB (häufig 50 oder mehr) angesetzt, um die körperlichen und seelischen Folgen der Behandlung aufzufangen. Nach Ablauf dieser Zeit wird geprüft, ob die Behinderung weiterhin in diesem Ausmaß besteht.
Übersicht der GdB-Stufen und ihre Bedeutung
Grad der Behinderung (GdB) | Bedeutung | Ausweis / Anspruch |
20 | Leichte Funktionsbeeinträchtigung | Kein Ausweis, aber unter Umständen steuerliche Vorteile (Pauschbetrag) |
30 – 40 | Wesentliche Funktionsbeeinträchtigung | Kein Ausweis, aber Möglichkeit der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen im Beruf |
50 – 100 | Schwerbehinderung | Anspruch auf den grünen Schwerbehindertenausweis |
Mehr als nur eine Zahl: Die Bedeutung der Merkzeichen
Neben dem GdB kann das Landesamt auf dem Bescheid und dem späteren Ausweis sogenannte Merkzeichen feststellen. Diese Buchstaben kennzeichnen besondere Arten der Behinderung und sind oft die Voraussetzung für spezifische Nachteilsausgleiche. Sie sind mindestens genauso wichtig wie der GdB selbst.
Hier sind die häufigsten Merkzeichen und was sie bedeuten:
- Merkzeichen G (erhebliche Gehbehinderung): Personen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind. Das bedeutet, sie können Wegstrecken, die üblicherweise zu Fuß zurückgelegt werden (ca. zwei Kilometer in 30 Minuten), nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten bewältigen.
- Vorteile: Anspruch auf unentgeltliche oder ermäßigte Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (durch Zukauf einer Wertmarke), KFZ-Steuer-Ermäßigung um 50 %.
- Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung): Dies gilt für Menschen, die sich wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Das betrifft zum Beispiel querschnittsgelähmte Personen oder Menschen mit beidseitigen Oberschenkelamputationen.
- Vorteile: Berechtigung zur Nutzung eines Schwerbehindertenparkplatzes (blauer EU-Parkausweis), vollständige Befreiung von der KFZ-Steuer.
- Merkzeichen B (Notwendigkeit ständiger Begleitung): Wird zuerkannt, wenn schwerbehinderte Menschen bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Das Merkzeichen B berechtigt zur kostenlosen Mitnahme einer Begleitperson in Bus und Bahn sowie oft zu ermäßigtem Eintritt für die Begleitung bei Veranstaltungen.
- Merkzeichen H (Hilflosigkeit): Für Personen, die für die Verrichtungen des täglichen Lebens (z. B. An- und Auskleiden, Essen, Körperpflege) dauerhaft in erheblichem Umfang fremde Hilfe benötigen. Das betrifft oft Fälle von hoher Pflegebedürftigkeit.
- Vorteile: Hoher steuerlicher Pauschbetrag, vollständige Befreiung von der KFZ-Steuer. Die Kombination h Hilflosigkeit b ist eine häufige Eintragung, wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind.
- Merkzeichen Bl (Blindheit): Gilt für Menschen, deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn gleich schwere Störungen des Sehvermögens vorliegen.
- Vorteile: Sehr hohe steuerliche Pauschbeträge, Parkerleichterungen, Landesblindengeld, Befreiung vom Rundfunkbeitrag.
- Merkzeichen RF (Ermäßigung des Rundfunkbeitrags): Menschen mit bestimmten gesundheitlichen Einschränkungen, die sie an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen hindern, sowie Blinde und Gehörlose, können eine Rundfunkgebührenermäßigung beantragen. Der Beitrag wird auf ein Drittel reduziert. Die Gebühr für den Telefonanschluss kann unter Umständen ebenfalls ermäßigt werden (Gebührenermäßigung bei der Telekom durch einen Sozialtarif).
Die Zuerkennung einer dieser Merkzeichen, wie zum Beispiel des Merkzeichens aG, hängt von strengen Kriterien ab und muss medizinisch eindeutig begründet sein.
Vom Antrag zum Bescheid: Was passiert nach der Einreichung?
Nachdem der Antrag beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie eingegangen ist, beginnt ein interner Prüfungsprozess. Ein Mitarbeiter im Verwaltungsbereich prüft die Vollständigkeit Ihrer Angaben und fordert bei den von Ihnen benannten Ärzten und Einrichtungen medizinische Berichte an. Dieser Prozess kann einige Wochen bis Monate dauern.
Sobald alle Unterlagen vorliegen, werden sie an den ärztlichen Gutachterdienst des Landesamtes weitergeleitet. Ein Versorgungsarzt prüft die Befunde und bewertet auf dieser Grundlage die Schwere Ihrer Funktionsbeeinträchtigungen. In den meisten Fällen erfolgt diese Bewertung nach Aktenlage. Nur in seltenen oder unklaren Situationen werden Sie zu einer persönlichen Untersuchung an einem Ort des Landesamtes eingeladen.
Basierend auf dieser ärztlichen Empfehlung erstellt die Verwaltungsabteilung den finalen, rechtsgültigen Bescheid. Dieses Dokument wird Ihnen per Post zugestellt.
Der Bescheid ist da: Und was nun?
Der Moment, in dem Sie den Brief vom Landesamt öffnen, ist entscheidend. Der Bescheid ist eine offizielle Mitteilung, die detailliert auflistet, welcher Grad der Behinderung festgestellt wurde und ob Ihnen Merkzeichen zuerkannt wurden.
Szenario 1: Der Antrag wurde bewilligt
Wenn ein GdB von 50 oder mehr festgestellt wurde, gilt Ihr Antrag als erfolgreich. Dem Bescheid liegt in der Regel ein Schreiben bei, mit dem Sie die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises beantragen können. Dafür müssen Sie meist ein aktuelles Passfoto einreichen. Der Ausweis selbst ist ein fälschungssicheres Dokument im Scheckkartenformat.
Szenario 2: Sie sind mit der Entscheidung nicht einverstanden
Es kommt häufig vor, dass der festgestellte GdB als zu niedrig empfunden wird oder ein beantragtes Merkzeichen nicht zuerkannt wurde. Geben Sie nicht vorschnell auf. Sie haben das Recht, gegen die Entscheidung vorzugehen.
- Schritt 1: Widerspruch einlegen: Sie müssen innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids schriftlich Widerspruch einlegen. Ein kurzes, formloses Schreiben genügt zunächst. Zum Beispiel: „Hiermit lege ich gegen den Bescheid vom [Datum] mit dem Aktenzeichen [Ihr Aktenzeichen] Widerspruch ein. Eine ausführliche Begründung folgt.“ Senden Sie dies fristwahrend an das Landesamt.
- Schritt 2: Akteneinsicht beantragen: Dies ist Ihr gutes Recht und ein wichtiger Schritt. Beantragen Sie eine Kopie der gesamten Verwaltungsakte. So sehen Sie, welche ärztlichen Befunde die Grundlage der Entscheidung waren und wie der Gutachter des Amtes argumentiert hat.
- Schritt 3: Den Widerspruch begründen: Gehen Sie mit der Akte zu Ihren behandelnden Ärzten. Bitten Sie um aktuelle Atteste, die gezielt auf die Begründung des Landesamtes eingehen und die Alltagsrelevanz Ihrer Leiden verdeutlichen. Oft helfen hierbei Sozialverbände oder Fachanwälte für Sozialrecht, eine stichhaltige Argumentation aufzubauen.
- Widerspruchsbescheid und Klage: Das Landesamt prüft Ihren Fall erneut. Führt auch dies nicht zum gewünschten Ziel, erhalten Sie einen Widerspruchsbescheid. Gegen diesen können Sie innerhalb eines Monats Klage beim Sozialgericht erheben. Eine endgültige Klärung kann dann durch eine Gerichtsentscheidung erfolgen.
Konkrete Vorteile: Welche Nachteilsausgleiche gibt es?
Das Ziel des Verfahrens ist es, durch die offiziellen Feststellungen Nachteile auszugleichen. Die Vorteile sind vielfältig und hängen vom GdB und den Merkzeichen ab.
- Im Beruf: Ab einem GdB von 50 (oder Gleichstellung ab 30) genießen schwerbehinderte Arbeitnehmer besonderen Kündigungsschutz, Anspruch auf Zusatzurlaub (5 Tage pro Jahr) und Unterstützung durch das Integrationsamt.
- Steuern: Sie können je nach Höhe des GdB einen Behinderten-Pauschbetrag bei der Einkommensteuer geltend machen, der Ihr zu versteuerndes Einkommen mindert. Dieser reicht von 384 Euro (GdB 20) bis zu 2.840 Euro (GdB 100). Mit den Merkzeichen H, Bl oder TBl steigt der Pauschbetrag auf 7.400 Euro. Außerdem ist eine Ermäßigung oder Befreiung bei der KFZ-Steuer möglich.
- Mobilität: Je nach Merkzeichen haben Sie Anspruch auf kostenlose oder ermäßigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (Beförderung), Parkerleichterungen bis hin zum Parken auf einem Schwerbehindertenparkplatz oder Fahrdienste.
- Rente: Schwerbehinderte Menschen (mit GdB von mind. 50) können die „Altersrente für schwerbehinderte Menschen“ in Anspruch nehmen. Diese ermöglicht einen früheren Renteneintritt. Hierzu berät die Deutsche Rentenversicherung.
- Sonstige Leistungen: Weitere Erleichterungen umfassen die Ermäßigung bei Rundfunk- und Telefongebühren (Merkzeichen RF), vergünstigte Eintritte in viele öffentliche und kulturelle Einrichtungen oder besondere Konditionen bei Versicherungen.
Häufige Fragen (FAQ) zum Antrag auf Schwerbehinderung in Niedersachsen
Nun folgen noch Antworten auf die meistgestellten Fragen zum Antrag auf Schwerbehinderung in Niedersachsen.
Wie lange dauert die Bearbeitung meines Antrags?
Die Bearbeitungsdauer kann stark variieren. Im Durchschnitt sollte man in Niedersachsen mit drei bis sechs Monaten rechnen. Bei komplexen Fällen oder wenn viele medizinische Berichte angefordert werden müssen, kann es auch länger dauern.
Kostet der Antrag oder der Ausweis etwas?
Nein. Das gesamte Verfahren zur Feststellung einer Schwerbehinderung sowie die Ausstellung des Ausweises sind für den Empfänger kostenlos.
Wer kann mir beim Ausfüllen des Antrags helfen?
Wenn Sie sich unsicher sind, bieten Sozialverbände wie der Sozialverband Deutschland (SoVD) oder der Volksbund (VdK) professionelle Hilfe an. Auch die Servicestellen für Rehabilitation und die unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) sind gute Anlaufstellen.
Mein Gesundheitszustand hat sich verschlechtert. Was kann ich tun?
Sie können jederzeit einen Verschlimmerungsantrag beim Landesamt für Soziales, Jugend und Familie stellen. Der Prozess ist ähnlich wie beim Erstantrag. Sie müssen nachweisen, dass sich Ihre Funktionsbeeinträchtigungen seit dem letzten Bescheid dauerhaft verschlechtert haben.
Kann der GdB auch wieder aberkannt werden?
Ja. Der Bescheid kann eine Nachprüfung vorsehen, insbesondere wenn sich der Gesundheitszustand verbessert hat. Stellt das Amt fest, dass sich Ihr Zustand wesentlich gebessert hat, kann der GdB herabgesetzt oder die Schwerbehinderung ganz aberkannt werden.
Muss ich Merkzeichen wie das Merkzeichen G, Merkzeichen B, Merkzeichen Bl oder Merkzeichen RF gesondert beantragen?
Nein, eine gesonderte Beantragung für jedes einzelne Merkzeichen ist nicht notwendig. Der Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung ist ein Gesamtverfahren. In diesem Antrag schildern Sie umfassend alle Ihre gesundheitlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf Ihren Alltag. Das Landesamt prüft dann von Amts wegen, ob die Voraussetzungen für den GdB und zusätzlich für eines oder mehrere Merkzeichen erfüllt sind. Ihre Aufgabe ist es, die notwendigen Informationen dafür zu liefern. Schildern Sie also beispielsweise detailliert Ihre Gehprobleme für das Merkzeichen G oder den Hilfebedarf bei der Nutzung von Verkehrsmitteln für das Merkzeichen B. Liegt eine augenärztlich bestätigte Sehbehinderung vor, wird das Merkzeichen Bl geprüft. Und wenn Sie nachweisen, dass Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können, ist dies die Grundlage für die Prüfung des Merkzeichen RF. Ein vollständiger und gut begründeter Erstantrag ist also der Schlüssel zu allen Feststellungen.
Der Antrag auf Schwerbehinderung ist ein wichtiger Schritt, um Ihre Rechte wahrzunehmen und Unterstützung zu erhalten. Mit der richtigen Vorbereitung und den passenden Informationen ist dieser Weg in Niedersachsen gut zu meistern. Zögern Sie nicht, sich bei Fragen an die zuständigen Stellen oder an Beratungszentren zu wenden – Sie müssen diesen Weg nicht allein gehen.