Eine Kontopfändung durch das Finanzamt ist für viele Steuerpflichtige, insbesondere für Unternehmer und Einzelunternehmer, ein absoluter Albtraum. Doch Panik ist der falsche Ratgeber. Wenn Sie die richtigen Schritte kennen und schnell handeln, können Sie die Kontrolle zurückgewinnen und eine Aufhebung der Pfändung erwirken. Dieser Artikel führt Sie durch den gesamten Ablauf, erklärt Ihre Rechte und bietet ein praktisches Muster für den entscheidenden Antrag.
Was genau ist eine Pfändung durch das Finanzamt?
Anders als private Gläubiger, die für eine Zwangsvollstreckung einen gerichtlichen Titel und einen Gerichtsvollzieher benötigen, agiert das Finanzamt als eigene Behörde. Grundlage für sein Handeln ist der Steuerbescheid. Wird die darin festgesetzte Schuld nach Fälligkeit und Mahnung nicht beglichen, kann die Behörde selbst Vollstreckungsmaßnahmen einleiten. Der Steuerbescheid ist in diesem Fall der Vollstreckungstitel.
Der Ablauf beginnt meist schleichend: Auf den ursprünglichen Steuerbescheid folgt bei Nichtzahlung eine Mahnung, die eine letzte Mahnfrist setzt. Verstreicht auch diese, kündigt das Finanzamt die Zwangsvollstreckung an. Die häufigste und effektivste Maßnahme ist die Kontopfändung. Hierzu erlässt die Finanzbehörde eine sogenannte Pfändungs- und Einziehungsverfügung. Diese Verfügung wird direkt an Ihre Bank gesendet und verpflichtet das Geldinstitut, Ihr gesamtes Guthaben sowie zukünftige Geldeingänge an das Finanzamt abzuführen, bis die offenen Forderungen gedeckt sind. Für den Schuldner bedeutet das: Das Konto ist blockiert, Lastschriften platzen und Überweisungen sind unmöglich.
Sofortmaßnahme Nummer Eins: Das P-Konto als Schutzschild
Der wichtigste erste Schritt nach Erhalt einer Pfändungsverfügung ist die Umwandlung Ihres Kontos in ein P-Konto. Jede Person hat einen rechtlichen Anspruch darauf, dass ihre Bank ein bestehendes Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto umwandelt. Dieser Schritt ist Ihre finanzielle Rettungsleine.
Ein P-Konto schützt automatisch einen monatlichen Grundfreibetrag vor dem Zugriff der Gläubiger. Dieser Betrag sichert Ihr Existenzminimum und stellt sicher, dass Sie weiterhin Miete, Strom und Lebensmittel bezahlen können. Die Höhe des Freibetrags ist gesetzlich festgelegt und erhöht sich, wenn Sie gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen haben, beispielsweise für Kinder. Die Umwandlung sollten Sie unverzüglich bei Ihrer Bank beantragen, denn der Schutz gilt auch für Geldeingänge, die bereits kurz vor der Umwandlung auf dem Konto eingegangen sind. Ohne ein P-Konto kann der Gläubiger, in diesem Fall das Finanzamt, auf das gesamte Vermögen auf dem Konto zugreifen.
Der Weg zur Aufhebung: Strategien und der formale Antrag
Die Aufhebung der Pfändung ist das oberste Ziel. Dafür genügt es nicht, untätig zu warten. Sie müssen aktiv werden. Der Prozess lässt sich in mehrere Schritte unterteilen, die eine sorgfältige Vorbereitung erfordern.
1. Analyse der Lage und der Forderungen
Prüfen Sie als Erstes die Rechtmäßigkeit der Forderungen. Basiert die Pfändung auf einem korrekten Steuerbescheid? Haben Sie vielleicht bereits einen Widerspruch gegen diesen Titel eingelegt? Wenn der zugrundeliegende Steuerbescheid fehlerhaft ist, müssen Sie sich nicht nur um die Aufhebung der Vollstreckung kümmern, sondern parallel das Rechtsmittelverfahren gegen den Bescheid vorantreiben.
2. Der direkte Draht zur Vollstreckungsstelle
Ein Anruf beim zuständigen Sachbearbeiter im Finanzamt kann Wunder wirken. Suchen Sie das Gespräch und signalisieren Sie Ihre Kooperationsbereitschaft. Erklären Sie Ihre finanzielle Lage und erkundigen Sie sich nach der Möglichkeit einer Ratenzahlung oder einer Stundung der Steuerschulden. Oft lässt sich das Finanzamt auf eine solche Vereinbarung ein, wenn der Schuldner glaubhaft machen kann, seine Verpflichtungen in absehbarer Zeit zu erfüllen. Eine solche Vereinbarung ist häufig die Grundlage für den anschließenden formalen Antrag.
3. Der formale Antrag auf Aufhebung der Pfändung
Ein Telefonat allein reicht nicht. Sie müssen einen schriftlichen Antrag auf Aufhebung der Pfändung beim Finanzamt einreichen. Dieses Dokument ist das Kernstück Ihrer Bemühungen. Darin müssen Sie den Grund für Ihren Antrag klar und nachvollziehbar darlegen. Mögliche Gründe sind:
- Vollständige Begleichung: Sie haben die gesamten Steuerschulden inklusive aller Nebenkosten bezahlt.
- Einigung auf Ratenzahlung: Sie haben eine verbindliche Vereinbarung zur Ratenzahlung getroffen und die erste Rate bereits überwiesen.
- Unbillige Härte: Die Pfändung führt zu einer untragbaren Situation, die Ihre wirtschaftliche oder persönliche Existenz gefährdet.
- Fehlerhafter Vollstreckungstitel: Der zugrundeliegende Steuerbescheid wurde per Einspruch angefochten und die Vollziehung ausgesetzt.
Muster: So formulieren Sie den Antrag an das Finanzamt
Die korrekte Formulierung ist oft entscheidend. Nutzen Sie dieses Muster und passen Sie es an Ihre persönliche Situation an.
[Ihr Name/Firmenname]
[Ihre Anschrift]
An das
Finanzamt [Name des Finanzamts]
Vollstreckungsstelle
[Anschrift des Finanzamts]
[Ort], den [Datum]
Betreff: Antrag auf Aufhebung der Kontopfändung / Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom [Datum der Verfügung]
Steuernummer: [Ihre Steuernummer]
Aktenzeichen der Vollstreckungsstelle: [Aktenzeichen, falls bekannt]
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich die sofortige Aufhebung der oben genannten Pfändungs- und Einziehungsverfügung für mein Konto bei der [Name Ihrer Bank], IBAN: [Ihre IBAN].
Begründung:
[Wählen Sie die passende Begründung aus und formulieren Sie diese aus.]
- Variante 1 (Zahlung erfolgt): Die gesamten Forderungen in Höhe von [Betrag] €, bestehend aus [Art der Steuern, z.B. Umsatzsteuer, Einkommenssteuer] für den Zeitraum [Zeitraum], wurden am [Datum] vollständig von mir beglichen. Einen Nachweis der Zahlung füge ich diesem Schreiben bei.
- Variante 2 (Ratenzahlung vereinbart): Wie am [Datum] mit [Name des Sachbearbeiters] telefonisch besprochen, wurde eine Ratenzahlung zur Begleichung der offenen Steuerschulden vereinbart. Die erste Rate in Höhe von [Betrag] € wurde fristgerecht am [Datum] überwiesen. Ich versichere, die weiteren monatlichen Zahlungen zuverlässig zu leisten.
- Variante 3 (Unbillige Härte): Die Aufrechterhaltung der Kontopfändung stellt für mich eine unbillige Härte im Sinne des § 258 AO dar. [Hier müssen Sie Ihre Situation detailliert schildern. Zum Beispiel: „Als Einzelunternehmer bin ich auf den Zugriff auf mein Geschäftskonto zwingend angewiesen, um laufende Betriebskosten zu decken und Löhne zu zahlen. Die Pfändung gefährdet unmittelbar den Fortbestand meines Unternehmens und damit meine wirtschaftliche Existenz.“ Legen Sie entsprechende Belege bei.]
Ich bitte um eine schnelle Bearbeitung meines Antrags und eine schriftliche Bestätigung über die Aufhebung der Pfändung an mich sowie an meine Bank.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
[Ihre Unterschrift]
[Ihr Name in Druckbuchstaben]
Die Rolle von Steuerberater und Fachanwalt: Wann ist professionelle Hilfe nötig?
Nicht jeder Fall lässt sich im Alleingang lösen. Die Rolle externer Experten ist oft entscheidend. Ein Steuerberater ist der erste Ansprechpartner, um die Richtigkeit der Steuerforderungen zu überprüfen und einen realistischen Plan zur Begleichung der Schulden zu entwickeln. Er kann außerdem professionell mit dem Finanzamt über eine Ratenzahlung verhandeln.
Ein Fachanwalt für Steuerrecht wird dann unverzichtbar, wenn es um einen handfesten Rechtsstreit geht. Legen Sie Einspruch gegen einen Steuerbescheid ein oder muss ein Antrag bei einem Gericht, etwa dem Vollstreckungsgericht, gestellt werden, ist juristischer Beistand das A und O. Insbesondere für ein Unternehmen, dessen Existenz auf dem Spiel steht, ist die Investition in eine fachkundige Beratung eine Notwendigkeit.
FAQ – Häufige Fragen zur Kontopfändung durch das Finanzamt
Im Folgenden finden Sie kompakte Antworten auf häufige Fragen rund um das Thema Pfändung durch das Finanzamt.
Wie lange dauert die Aufhebung einer Kontopfändung?
Nachdem der Grund für die Pfändung weggefallen ist (z.B. durch vollständige Zahlung), sollte die Aufhebung schnell erfolgen und sie können wieder über Ihr Geld verfügen. In der Praxis kann es aber einige Tage bis über eine Woche dauern, bis die Information vom Finanzamt bei der Bank verarbeitet ist. Haken Sie bei Verzögerungen sowohl bei der Behörde als auch bei Ihrer Bank nach.
Kann das Finanzamt auch eine Lohnpfändung meines Einkommens veranlassen?
Ja. Neben der Kontopfändung und der Sachpfändung durch den Vollziehungsbeamten ist die Lohnpfändung eine weitere gängige Maßnahme. Hierbei wendet sich das Finanzamt direkt an Ihren Arbeitgeber, der dann einen Teil Ihres Gehalts für Ihre Arbeit direkt abführen muss.
Was passiert, wenn ich den Antrag auf Ratenzahlung stelle?
Ein Antrag allein stoppt die Pfändung nicht automatisch. Erst eine positive Zusage des Finanzamts und die nachweisliche Zahlung der ersten Rate führen in der Regel zur Aussetzung oder Aufhebung der Maßnahme.
Welche Kosten entstehen durch die Pfändung?
Das Finanzamt erhebt für seine Vollstreckungsmaßnahmen Gebühren, die zu den eigentlichen Steuerschulden hinzukommen. Auch Banken können für die Bearbeitung der Pfändung und die Führung eines P-Kontos Gebühren verlangen. Diese zusätzlichen Beträge erhöhen die finanzielle Last für den Steuerpflichtigen.